Interview mit Kasia Borek

18. Juli 2011 – Archiv

Schon als Kind stand sie zum ersten Mal vor einer Kamera, mit 17 wusste sie, dass sie Schauspielerin werden wollte. Seit Oktober 2010 ist Kasia Borek als Emma Müller in der Sat.1 Telenovela „Hand aufs Herz“ zu sehen. Die schüchterne Schülerin hat sich zunächst etwas zögerlich, aber dann mit ganzem Herzen auf eine Beziehung mit ihrer Mitschülerin Jenny Hartmann (Lucy Scherer) eingelassen, und die beiden bilden inzwischen das „Traumpaar der Schule“.

Im Interview hat Kasia unter anderem über ihre Rolle, den „Jemma“-Hype und die Schauspielerei im Allgemeinen und Besonderen gesprochen.

Wirkt anders als “Emma” alles andere als schüchtern: Schauspielerin Kasia Borek

von MeL

Rosalie & Co.: Kasia, seit letztem Jahr spielst Du in „Hand aufs Herz“ die eher schüchterne, etwas „nerdige“ Emma Müller. Was hat Dich an der Rolle gereizt?

Kasia Borek: Ich neige zu eher eigenartigen, individuellen, seltsamen Charakteren. Ich spiele das sehr gern, weil diese Charaktere meistens ein Geheimnis haben. Ich würde ungern jemanden spielen, der perfekt ist, weil ich das uninteressant finde. Ich liebe es, Risiken einzugehen, wenn es um das Schauspiel geht. Man investiert alles und weiß nicht, was daraus wird. Das ist ein bisschen wie an der Börse, aber man kann auch nicht ohne, man will das ausprobieren, man weiß, wenn man es nicht tut, dann wird man es bereuen, oder man wird vielleicht etwas nicht über sich selbst erfahren. Das hat jetzt auch nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass die Emma eine lesbische Rolle ist, sondern gilt generell und für alle Rollen.

R&C: Was war für Dich die Herausforderung an der Figur der Emma?

KB: Es fiel mir schwer, Emmas Schüchternheit zu spielen. Ich bin jemand, der gern seine Meinung sagt, nicht immer, aber wenn ich es für nötig halte. Das fand ich bei Emma am Anfang ziemlich schwierig, weil ich während der Szenen viele Gedanken hatte und, wenn die anderen gesprochen haben, auch immer etwas einwerfen und etwas dagegen sagen wollte, es aber ja nicht durfte. Ich respektiere da aber die Sphäre von Emma, und ich finde es auch schön, wie Emma erstmal Wurzeln schlägt und langsam aufblüht. Ich bin gespannt, was für eine Blume daraus wird. Ich zum Beispiel mag ja Sonnenblumen ganz gern.

R&C: Hattest Du bzw. hast Du Einfluss auf die Entwicklung der Figur und der Handlung?

KB: Wir sind im ständigen Kontakt mit den Drehbuchautoren, die uns auch von vornherein gesagt haben, dass wir mit Wünschen zu ihnen kommen können und sie versuchen werden, diese einzubauen. Das ist wegen der Vielschichtigkeit und der Zusammenhänge der einzelnen Handlungsstränge meistens nicht immer sofort umsetzbar, aber vielleicht irgendwann.

Ich sage ihnen ab und zu, was für eine Art Szene ich gern spielen möchte, allerdings nicht, wie meines Erachtens die Geschichte von Emma weitergehen sollte. Natürlich würde ich mir für Emma wünschen, dass sie mutiger wird, ich will das aber nicht bestimmen. Wenn man morgens aufwacht, dann weiß man ja auch nicht, wie der Tag wird, aber man lässt sich darauf ein, und das möchte ich bei Emma auch, egal, ob sie in ein tiefes Loch stürzt oder Mutter Teresa wird.

R&C: Wusstest Du von Anfang an, dass Emma sich in ein Mädchen verlieben würde?

KB: Ganz am Anfang war davon noch keine Rede, aber als man mir gesagt hat, dass Emma jemanden treffen und sich in diese Person verlieben wird und es keine Rolle spielt, welches Geschlecht diese Person hat, da war ich damit sofort einverstanden. Was ich bei diesen beiden Figuren Jenny und Emma so toll finde ist, dass Gefühle auf einer komplett anderen Ebene gespielt werden. Mich nervt dieses klischeehafte Männer-Frauen-Verhältnis. Ich glaube, dass es zwischen zwei Frauen etwas Besonderes gibt, dass die beiden sich auf einer ganz anderen Ebene verstehen, was die Sache aber manchmal noch komplizierter macht. Es ist vielschichtiger und dadurch für mich interessanter zu spielen.

R&C: Die Liebesgeschichte von Jenny und Emma, von den Fans inzwischen liebevoll „Jemma“ genannt, hat eine sehr positive Resonanz und sogar einen regelrechten Hype hervorgerufen, und dass nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Hast Du damit gerechnet?

KB: Ich hätte wirklich nicht erwartet, dass sich so viele für die Geschichte von Emma und Jenny interessieren. Ich hatte schon das Gefühl, dass es gut gespielt ist, weil Lucy und ich aufeinander eingehen, weil wir offen sind, weil wir unseren Beruf lieben. Ich habe riskiert, mich für die Rolle zu öffnen. Dass das alles aber noch eine Dimension weitergeht, und dass insbesondere das Spiel mit Lucy für mich so bereichernd und bunt und interessant sein könnte, damit habe ich nicht gerechnet. Das hat letztlich auch sehr viel mit Glück zu tun.

R&C: Bekommst Du von dem Hype überhaupt etwas mit, und wenn ja, wie gehst Du damit um?

KB: Man hört von vielen Leuten „Hype, Hype, Hype“ und nimmt das erst einmal so an, weil man nicht weiß, was normal ist und was nicht und nicht einschätzen kann, ob es nun eher ein kleiner Hype oder ein großer Hype ist, wenn es da überhaupt einen Unterschied gibt. Ich könnte sicherlich auch sehr viel mehr davon mitbekommen, aber ich versuche bewusst, neutral zu bleiben, weil ich mir dadurch Raum für meine Rolle schaffe. Das ist für mich das allerwichtigste, nur dadurch kann ich Leute berühren, wenn ich Klarheit habe und weiß, wie ich das tue. Aber natürlich freue ich mich über den Hype.

R&C: Machst Du Dir – vielleicht auch als Reaktion auf den Hype – Gedanken darüber, wie Du die Rolle spielst oder was vielleicht besonders gut ankommt?

KB: Ich möchte mir darum gar nicht so viele Gedanken machen, weil mich das nur auf dumme Gedanken bringen könnte, und das möchte ich vermeiden. Wenn die Kamera an ist, dann bin ich da. Wir drehen so viel und so schnell, dass keine Zeit bleibt, verschiedene Schubladen aufzumachen nach dem Motto „Heute bin ich mal ein bisschen traurig, und das vermische ich mal mit ein bisschen Freude“, sondern ich nehme dann gern die Stimmung und Emotion, die ich gerade empfinde.

Die Beurteilung dessen, was ich da tue, möchte ich dabei gar nicht selbst übernehmen, sondern das möchte ich komplett an die Fans weitergeben. Deswegen bin ich auch so neugierig auf die Reaktionen und immer wieder erstaunt darüber, wie zum Beispiel beim Soap Award oder auch ganz besonders beim Fantag.

R&C: Gerade beim Fantag, aber auch beim Soap Award ist der „Jemma“-Hype ja sehr offensichtlich geworden. Wie war das für Dich?

KB: Als ich beim Fantag diese begeisterten Gesichter gesehen habe, ist mir das erste Mal so richtig bewusst geworden, dass das, was man tut, einen Sinn macht, dass man nicht nur irgend etwas darstellt, was schön ist, sondern dass da Kommunikation entsteht und man auch sehr viel zurückbekommt. So sehe ich generell das Schauspieler–Zuschauer–Verhältnis, das ist ein Geben und Nehmen. Und das Engagement der Fans beim Soap Award hat mich umgehauen. Ich fand es schade, dass es „nur“ der zweite Platz geworden ist, denn für die Fans war das wichtig.

Kasia Borek mit Lucy Scherer beim Auftritt der „STAG“ am Fantag

R&C: Hast Du Dich besonders auf die Rolle der Emma und gerade auch die Coming-Out-Geschichte vorbereitet?

KB: Ich kenne selbst dieses Gefühl des Andersseins. Das muss gar nichts damit zu tun haben, dass jemand schwul oder lesbisch ist. Ich bin als Kind viel umgezogen, hatte nie einen richtigen Freundeskreis, musste mich immer anpassen. Mal wurde man sofort angenommen, mal war man von vornherein der Außenseiter. Ich weiß also, was es heißt, akzeptiert zu werden oder eben nicht akzeptiert zu werden.

Ich habe aber natürlich auch mit meinen schwulen und lesbischen Freunden über ihre Erfahrungen gesprochen. Vor allem habe ich sie jedoch beobachtet und dabei festgestellt, dass jede Beziehung – ob nun zwischen einem Mann und einer Frau, zwei Männern oder zwei Frauen – ähnliche, „traditionelle“ Phasen durchmacht. Trotzdem glaube ich irgendwie, dass es zwischen zwei Frauen entspannter ist.

R&C: Wie hat Dein Umfeld, insbesondere Deine Familie darauf reagiert, dass Du im Fernsehen eine Frau spielst, die sich in eine andere Frau verliebt?

KB: Mir war die Reaktion der anderen immer egal. Mein Vater hat mir beigebracht, dass es wichtig ist, individuell zu sein, seinen eigenen Weg zu gehen. Ich habe das so interpretiert, dass ich alle Rollen spielen kann, egal was es ist, solange es zu mir passt. Ich habe zum Glück sehr tolerante Eltern. Wenn die Männer in meiner Familie vielleicht nicht so gern „Hand aufs Herz“ sehen hat das deshalb auch weniger mit meiner lesbischen Rolle zu tun als vielmehr damit, dass sie das für „Frauenkram“ halten und lieber Actionfilme oder Fußball schauen.

R&C: Deine Eltern stammen aus Polen, Du selbst bist zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen, hast aber in Polen studiert und auch einen polnischen Pass. Wie siehst Du die Einstellung in der polnischen Gesellschaft gegenüber Lesben und Schwulen?

KB: In Polen ist man gedanklich noch viel weiter von dem Thema Homosexualität entfernt als hier in Deutschland. Hier hat man viel früher angefangen, sich damit auseinandersetzen, zu einer Zeit, als es in Polen noch den Kommunismus gab und junge Menschen weniger Freiheit hatten. Trotzdem gibt es heute schon viele Menschen, die sich trauen, ihre Sexualität zu zeigen, insbesondere in den größeren Städten, wo das schon mehr akzeptiert ist als auf dem Dorf.

Natürlich spielt da auch der Katholizismus eine große Rolle. Ob man sich outet oder nicht hat dabei aber meistens weniger mit der Akzeptanz in der Gesellschaft zu tun als vielmehr mit den befürchteten Reaktionen in der Familie. Ich habe viele schwule Freunde in Polen, und einer von ihnen traut sich bis heute nicht, sich gegenüber seiner Mutter zu outen. Auf der anderen Seite war ein Studienkollege von mir einer der ersten, der in Warschau als Transe aufgetreten ist. Ich fand es toll, mit welchem Elan und mit welcher Selbstverständlichkeit er auf die Bühne gegangen ist und seine Shows gemacht hat, und die Leute haben es geliebt. Extreme gibt es überall, aber ich denke, dass Polen auf einem guten Weg ist.

R&C: Das Besondere an „Hand aufs Herz“ ist ja, dass hier nicht nur gespielt, sondern auch getanzt und gesungen wird. Hast Du Einfluss auf die Musikauswahl?

KB: Wir durften tatsächlich einen „Song-Wunschzettel“ abliefern. Auch davon wird natürlich nicht alles umgesetzt, aber wenn, dann fühlt man sich bestätigt. Einer meiner Vorschläge war zum Beispiel „Lovefool“ von den Cardigans.

Andererseits lasse ich mich aber auch gern inspirieren. Bei „Sweet Dreams“ zum Beispiel ist man auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich das nicht singen möchte. Und bei meinem ersten Solo-Song „If I Were a Boy“ hieß es plötzlich, dass wir das als Clip drehen, also nicht wie eigentlich geplant in der Aula mit der AG, sondern auf dem Hof, und das fand ich toll. Die Leute, mit denen wir arbeiten, spüren Qualität in der Musik, deswegen vertraue ich darauf, dass sie das entsprechende Lied für mich aussuchen.

R&C: Du hast schon als Kind vor der Kamera gestanden, und zwar in den 1990ern für die Kindersendung „Vampy“. Wie kam es dazu, und hat das Deine Berufswahl beeinflusst, oder wusstest Du schon vorher, dass Du Schauspielerin werden möchtest?

KB: Mein Vater ist Kameramann und wurde von RTL 2 beauftragt, für „Vampy“ Kinderreportagen zu drehen. Also hat er mich gefragt, ob ich das machen möchte. Dadurch, dass mein Vater selbst gefilmt hat, habe ich mich bei den Dreharbeiten immer geborgen gefühlt. Danach hat mich das Genre nicht mehr losgelassen. Mit 17 bin ich dann von einem Tag auf den anderen zu meinen Eltern gegangen und habe ihnen gesagt, dass ich Schauspielerin werden will, und für die war das sofort in Ordnung. Das hat mich bestätigt, und seitdem bin ich sehr konsequent, wenn natürlich auch mit Höhen und Tiefen. Aber ich liebe die Kamera, und die Schauspielerei ist mein Traumberuf.

R&C: Was war das bisherige Highlight Deiner Karriere?

KB: Eines der Highlights war meine erste Statistenrolle bei „Der Pianist“, und dort Roman Polanski zu sehen – und vor allem zu sehen, dass der genauso groß ist wie ich. Polanski war damals für mich eine sehr wichtige Person und auch der Grund dafür, dass ich in Lodz an der Filmhochschule studiert habe, weil er dort auch studiert hat.

R&C: Gibt es eine Traumrolle, die Du unbedingt mal spielen möchtest?

KB: Darüber will ich derzeit nicht nachdenken, auch weil ich noch so in der Emma-Geschichte drin bin. Wahrscheinlich weiß ich schon, was ich machen möchte, will es aber mir selbst nicht verraten, weil ich sonst Lust darauf bekäme, und das möchte ich vermeiden. Ich würde aber generell gern mal in einer Hollywoodproduktion mitspielen, weil ich glaube, dass die Amis es echt draufhaben.

R&C: Was macht Kasia, wenn sie mal nicht Emma ist?

KB: Im Moment treibe ich viel Sport, weil mir das einfach gut tut. Außerdem beschäftige ich mich viel mit Musik. Ich habe mit Jazz angefangen, entdecke aber gerade auch Elektropop wie beispielsweise von „I Blame Coco“ oder Robyn. Ich mache auch gern selbst Musik, aber vor allem für mich. Freunde und Familie sind natürlich wichtig. Außerdem zieht es mich so oft wie möglich raus in die Natur. Ich hätte hier auch gern einen Hund, aber für den hätte ich leider keine Zeit.

R&C: Wie sehen Deine Zukunftspläne bezüglich „Hand aufs Herz“ und Emma aus?

KB: Ich kann mir vorstellen, Emma so lange zu spielen, bis ich merke, dass sie zu Ende gespielt ist. Wenn meine Intuition sagt, dass Emma an einem gewissen Punkt angekommen ist, dann würde ich gern aufhören und etwas Neues anfangen.